Wahnsinn im Alltag


Video-Test
März 21, 2011, 9:50 am
Filed under: Tierisches


Der Wahnsinn im Alltag ist umgezogen!
November 25, 2010, 5:15 pm
Filed under: Wahnsinn im Alltag

Liebe Leserinnen und Leser,
weil wir andernorts mehr technische Möglichkeiten haben als hier, bin ich mit meinem Blog umgezogen. Der alltägliche Wahnsinn tobt jetzt hier: http://www.boxmail.de

Ein bisschen weht einem dort noch der Baustellenstaub um die Ohren, aber das neue Domizil ist durchaus schon begehbar.

Liebe Grüße

Edith

Foto: © insektivor212 (Thorben Wengert) / http://www.pixelio.de



Geburtstags-Nachlese

Ich hatte doch gesagt, dass meine Kollegen mir zu meinem Fünfzigsten eine Geburtstagskarte … na ja, eher ein Plakat … gestaltet und getextet haben. Das ist bei uns zu runden Geburtstagen und Firmenjubiläen so üblich. Und auch, den Jubilar dabei ein bissi durch den Kakao zu ziehen.

Ein wenig hab ich mich gefürchtet. Ich bin ja auch nicht zimperlich, erzähle viel und biete sicher eine Menge Angriffsflächen. Aber sie waren wirklich sehr nett und gnädig zu mir …

Das ganze ist eine Parodie auf ein Werbematerial, das ich mal getextet habe und foppt mich ein bisschen wegen meiner vielen privaten Pläne und Aktivitäten.

Aus, äh, organisatorischen Gründen (man hatte meinen 50sten vergessen) fand die feierliche Übergabe des Plakats ein wenig zeitverzögert statt. Jetzt hängt das Plakat an meinem Arbeitsplatz.

Wer sich jetzt fragt, was das für ein netter junger Hund ist, den man auf den Bildern über dem Plakat sieht: Der gehört nicht zu uns. Das ist Joey, ein junger Golden Retriever und sein erwachsener Artgenosse Ryno. Beide gehören meiner Freundin Kerstin D.

Und kurz nach meinem Geburtstag wurde ein Geschenk meiner Freundin Ute W. geliefert, … der gigantische Katzenkalender. Ein Katzenkalender zum Geburtstag ist schon Tradition bei uns. Er hängt immer in meinem Büro. Ich liiiiiebe Kalender, seit eine Klassenkameradin mir in den 70-er Jahren mal einen supertollen Kunstkalender zum Geburtstag geschenkt hat.

Wir haben’s aber einfach nicht früher geregelt gekriegt, die Aufnahmen zu machen. Und ich sag nicht, wie viele Aufnahmen meine Bessere Hälfte machen musste, damit es wenigstens eines gibt, auf dem ich nicht gar so blöd schau.



Jutta Profijt: Schmutzengel – Roman

Jutta Profijt: Schmutzengel, München 2010, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-21206-9, 285 Seiten, Softcover, Format: 12 x 19 x 2,5 cm, EUR 8,95 (D), EUR 9,20 (A)

„Erst in diesem Moment realisierte ich das ganze Ausmaß meines Problems. Meines katastrophal grandiosen Problems. Eine Leiche im Haus eines Kunden, in dem ich gestern aus lauter Doofheit vergessen hatte, die Tür zu schließen. Eine Leiche! (Seite 105/106)

Von einem Tag auf den anderen gerät das Leben der Werbekauffrau Corinna Leyendecker, 31, total aus den Fugen. Aus heiterem Himmel wird sie von ihrem Agenturchef betriebsbedingt entlassen und sofort freigestellt.

Wenn es im Vorfeld Warnzeichen gegeben hat, so hat sie sie nicht erkannt. So muss es auch in ihrer Beziehung gelaufen sein, denn als sie nach der Kündigung überraschend früh nach Hause kommt, erwischt sie dort ihren Lebensgefährten Greg mit seiner Kollegin im Bett. Der faselt was von „Liebe auf den ersten Blick“ und will, dass Corinna sofort auszieht. Doch so schnell geht das nicht, und so haust sie vorübergehend im ehemals gemeinsamen Arbeitszimmer, während Greg mit der Neuen die restliche Wohnung bewohnt.

Um aus dieser blöden Situation herauszukommen und sich eine eigene Wohnung leisten zu können, braucht Corinna wieder einen Job. Wer in der Werbebranche arbeitet, weiß, was jetzt kommt:
„Sie sind ja schon über dreißig!“
„Ja.“
„Das ist in der Werbung natürlich ein Problem.“
(Seite 24)

Mitten in einem Vorstellungsgespräch, das der potenzielle Vorgesetzte für ein ausgiebiges Telefonat zur Regelung seines Privatkrams unterbricht, hat Corinna einen Geistesblitz: Warum nicht auf die Werbebranche pfeifen und aus ihrem Organisationstalent anderweitig Kapital schlagen – mit einem Wohnungs-Rundumbetreuungsservice? Haben nicht schon ihre Agentur-Kolleginnen immer gespottet, Greg genieße bei ihr „betreutes Wohnen“?

Ihrer punkigen Freundin und Ex-Kollegin, der Texterin Tabea „Troll“ Trollinger, muss sie ihre Geschäftsidee erst erklären: „Ich will Menschen, die keine Zeit haben, sich um ihren Haushalt zu kümmern, genau das abnehmen. Das Kümmern.“ (Seite 48) Tabea bleibt skeptisch, bietet aber an, die Werbemaßnahmen für Corinnas Startup-Unternehmen zu konzipieren. Sie ist es auch, die auf den Firmennamen „Schmutzengel“ kommt.

Wenn Corinna Rat und Hilfe braucht, geht sie nicht zu ihren Eltern, sondern zu ihrer patenten und jung gebliebenen Oma. Die hat auch gleich die perfekte Mitarbeitern für die Schmutzengel parat: Lisbeth Baues, 57, eine erfahrene Hauswirtschafterin, die derzeit ihr Leben privat und beruflich neu ordnet.

Die Schmutzengel legen los und erweisen sich bald als Erfolgskonzept. Die Idee ist gut, der Markt ist da – und Tabeas originelle Werbekampagne haut voll rein. Wie sie ein Speeddating zur Promotion-Veranstaltung umfunktioniert, das ist ebenso saukomisch wie wirkungsvoll.

Die Erfolgsgeschichte mutiert jedoch zum Horrortrip, als Corinna, gesundheitlich schwer angeschlagen, eines Abends vergisst, bei Rüdiger Lauenstein die Tür zum Kühlhaus zu schließen. Am nächsten Tag fährt sie hin um das Versäumte nachzuholen. Es soll sich ja kein Unbefugter Zugang verschaffen können. Doch als sie bei Lauenstein ankommt, ist genau das bereits geschehen: Im Kühlhaus liegt die Leiche eines Obdachlosen! Wie soll sie das nur ihrem Auftraggeber erklären, ohne dass der gute Ruf der Schmutzengel zum Teufel geht? Am besten gar nicht. Die Leiche muss weg!

Corinna lädt den Toten in den Kofferraum ihres Autos und macht sich vom Acker. Doch den Mann loszuwerden erweist sich ausgesprochen schwierig. Die Jungunternehmerin hat so viel um die Ohren, dass sie einfach nicht die Zeit findet, sich um die Leichenentsorgung zu kümmern. Und so kutschiert sie den Verstorbenen mit von Termin zu Termin – und ist heilfroh, dass die Temperaturen derzeit im Minusbereich liegen und die Leiche nicht zu riechen anfängt.

Es ist aber auch wie verhext! Einer ihrer Akquisetermine beschert ihr die kostenlose Teilnahme an einem Business-Stilseminar, bei dem’s ungefähr so herb zur Sache geht wie bei der Fernsehshow „Germany’s Next Topmodel“. Tabea schleppt Corinna zu einer Werbeveranstaltung, das Fernsehen steht auf der Matte und will einen Beitrag über die Schmutzengel drehen, die Familie rückt unangemeldet an – und zu niemandem kann man sagen: „Hör mal, ich habe gerade keine Zeit, ich muss dringend eine Leiche loswerden.“ Und dann wird auch noch das Auto abgeschleppt! Wenn Corinna nicht so erkältet und fiebergeschwächt wäre, würde sie vielleicht zur rechten Zeit eine glaubhafte Ausrede finden. Aber so kann sie kaum klar denken und lässt sich willenlos durch die Ereignisse treiben.

Als sie schon nicht mehr damit rechnet, ergibt sich eine Lösung für ihr Leichenproblem. Doch jetzt fängt das Chaos erst richtig zu toben an. Wie hätte Corinna auch ahnen können, dass es jemanden gibt, der den Toten unbedingt haben will? Jetzt ist er fort. Seine Wiederbeschaffung erweist sich als mindestens so aufwändig wie seine Entsorgung. Gibt es einen Ausweg aus dieser Situation? Wird Corinnas Leben jemals wieder in normalen Bahnen verlaufen?

Die Geschichte ist hochgradig gaga – und ausgesprochen amüsant, nicht nur für Leute aus der Werbebranche. Für die ist noch der eine oder andere Extra-Lacher drin, wenn sie branchentypische Marotten wiedererkennen – und vielleicht sogar einen Kollegen …

Zum Kichern ist, wie die rüpelhafte Tabea das Speeddating aufmischt … wie dieser theatralische Wurzelzwerg von Stilberater die Teilnehmerinnen mit seinem taktlosen Geschwätz fix und fertig macht … wie hyperaktive Fernsehteams in die bodenständige Welt der Schmutzengel einbrechen … und wie Lisbeth mit einem Universitätsprofessor über das Saubermachen philosophiert. Hier muss ich wieder meine übliche Warnung aussprechen: Dieses Buch bitte nicht in der Öffentlichkeit lesen! Oder die Reaktionen der Umwelt hinnehmen. Denn es kann durchaus sein, dass man bei der einen oder anderen Szene breit grinsen oder gar laut loslachen muss.

So abgedreht und unwahrscheinlich die Geschichte auch ist, sie vermittelt doch eine Botschaft: „Mädels, verliert eure Wünsche und Träume nicht aus den Augen! Und lasst sie euch nicht von Dummschwätzern ausreden, die sich auf eure Kosten ein bequemes Leben machen wollen!“ Lisbeth hat rund 30 Jahre gebraucht, um sich privat und beruflich aus solchen parasitären Beziehungen zu befreien. Corinna lernt ihre Lektion zum Glück schon früher. Aus dem ausgenutzten Hascherl wird peu a peu eine selbstbewusste Geschäftsfrau. Oma hat schon Recht, wenn sie schließlich feststellt: „Du siehst plötzlich so … erwachsen aus.“ (Seite 276) Und das liegt nicht nur daran, dass Corinna ein paar Ratschläge des durchgeknallten Stilberaters umgesetzt hat. Da hat ein Reifeprozess stattgefunden.

Leserinnen mit einer Affinität zu Zahlen werden sich fragen, wie denn eine 57-jährige Oma eine 31-jähige Enkelin haben kann. Und einen Enkel, der zwischen 40 und 50 ist. (Erwähnt wird nur, dass Corinnas Bruder um so vieles älter ist als sie, dass er ihr Onkel sein könnte.) Corinnas Mutter wäre laut Buch 40. Das kann auch nicht sein. Entweder hat sich die Autorin verrechnet oder das Lektorat hat am Alter der Figuren so lange herumkorrigiert, bis gar nichts mehr zusammenpasste. Das ist für die Geschichte nicht weiter wichtig, aber Zahlenmenschen stören solche Ungereimtheiten.

Doch davon abgesehen: Die Geschäftsidee der Schmutzengel ist genial! Wenn sie nicht nur für Männer arbeiten würden – Frauen sind ihnen in Haushaltsdingen zu kritisch – würde ich sie sofort engagieren. Bei uns auf dem Grundstück liegen auch garantiert keine Leichen herum. Höchstens mal eine tote Maus …

Die Autorin:
Jutta Profijt wurde 1967 in Ratingen geboren. Nach dem Abitur ging sie ins Ausland, arbeitete als Exportmanagerin im Anlagenbau und war jahrelang selbstständige Unternehmerin. 2003 veröffentlichte sie ihren ersten Kriminalroman. Heute lebt sie als freie Autorin in der niederrheinischen Provinz.

Kater lieben Manuskripte.

Rezensent: Edith Nebel
EdithNebel@aol.com
     
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Der abwesende Mann

In der aktuellen Ausgabe der Fernsehzeitschrift GONG wurde in einem Artikel auf Renate Brackhahn-Witts Buch „Der abwesende Mann“ hingewiesen.

Zu diesem Werk sagt amazon: „Renate Brackhahn-Witt beschreibt auf witzige Art und Weise den ganz normalen Beziehungswahnsinn und deckt die oft weit zurückliegenden Muster auf, die dazu führen.“ Okay. Passt in mein Beuteraster, will ich haben. Unser Großhändler hat’s nicht mehr, also bin ich bei booklooker.de rein. Und hab mich beömmelt über die Logik der Google-Anzeige: „Sie suchen einen Mann?“

Wenn der Mann abwesend ist, braucht die Person sicher einen neuen. 😀



Die schönen Seiten des Novembers

Zum Glück besteht der November nicht nur aus Pisswetter und Düsternis. Es gibt auch sonnige Tage wie die am vergangenen Wochenende.

Christrosen und Chrysanthemen im Garten meiner Eltern.
Die Christrosen wachsen neben unserem Briefkasten, seit ich zurückdenken kann. Die hat noch meine Mutter, wenn nicht gar meine Großmutter gepflanzt.

Chrysanthemen hatten wir früher, als meine Mutter noch lebte, in Gelb und Weiß, Rosa und Rostrot. Die rostroten hatten für mich immer was Asiatisches. Ich nehme an, dass ich irgendwann mal in meiner Kindheit ein asiatisches Kunstwerk gesehen habe, auf dem solche Chrysanthemen abgebildet waren. Wie sonst käme ich darauf?

Jetzt ist von all der Farbenpracht noch eine einzige gelbe Chrysantheme übrig.

Das wird heute wohl für eine Weile der letzte Sonntagsspaziergang bei Sonnenschein gewesen sein. Deshalb bin ich noch Mal mit der Kamera losgezogen.

Stadtbahnschienen

Allee im Scharnhauser Park

Ein Firmengebäude …
… mit und ohne Herbstblätter

Bunte Blätter



Yannick und die Schuhe
November 9, 2010, 6:43 pm
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„Nicht schreien! Im Fernsehen sagt er doch immer, wenn die Schuhe nicht passen, kann man sie kostenlos wieder zurückschicken.“



Storyolympiade 2009/2010: Rache! – Die 28 besten Geschichten

Buchvorstellung und Werkstattbericht

Storyolympiade 2009/2010: RACHE! – Die 28 besten Geschichten des Wettbewerbs, Nittendorf 2010, Wurdack-Verlag, ISBN 978-3-938065-71-6, Softcover, 200 Seiten, Format: 13,5 x 21,5 x 1,8 cm, EUR 12,95.

Die Kurzgeschichtensammlung RACHE! kannte ich schon, als sie noch sooo klein war und lediglich eine Idee der Autorengemeinschaft GESCHICHTENWEBER für das Projekt „Storyolympiade 2009/2010“.

Die „Storyolympiade“ gibt es bereits seit dem Jahr 2000. Sie ist ein jeweils themengebundener Kurzgeschichtenwettbewerb aus dem Bereich SF/Fantasy/Mystery, dessen beste Beiträge am Schluss in einem Band des Wurdack-Verlags veröffentlicht werden.

Darüber, was den Kriterien der Ausschreibung entspricht und generell veröffentlichungstauglich ist, entscheidet eine – in diesem Fall achtköpfige – GESCHICHTENWEBER-Vorjury. Diese Juroren lesen und bewerten sämtliche eingegangenen Beiträge und sortieren dabei schon mal kräftig aus. Von ursprünglich 241 Rache-Texten blieben am Schluss des Vorgangs noch 33 übrig.

Welche dieser verbliebenen 33 Geschichten preiswürdig sind und mit Gold, Silber und Bronze ausgezeichnet werden, darüber befindet eine personell anders zusammengesetzte Hauptjury. Bei der diesjährigen Storyolympiade waren es sieben Hauptjuroren – und einer davon war ich.

Auf Platz 1 kam Martina Sprengers herrlich boshafte Kurzgeschichte ALLE ZEIT DIESER WELT: Sues Mann verliebt sich in die neue Nachbarin Elisa, ein puppenhaftes Geschöpf von aufreizender Hilflosigkeit. Durch Zufall kommt Sue hinter das Geheimnis ihrer Rivalin …

Mit EINE FRAGE DES PRINZIPS kam Daniela Herbst auf Platz 2: Wayne hat dem Teufel eine Lebensspanne von 150 Jahren abgezockt. Doch er hat die Rechnung ohne den Tod gemacht. Der kann es nämlich überhaupt nicht leiden, wenn ihm einer ins Handwerk pfuscht. – Schon witzig, wenn der Tod wie ein gestresster Arbeitnehmer herumlamentiert. Er hat ja auch einen echten Knochenjob, der Ärmste!

Silke Walksteins Story DIE STIFTE DES TEUFELS belegte Platz 3: Für die letzten paar Groschen, die der verarmte Kunstmaler Rupert in der Tasche hat, wollte er sich eigentlich einen Strick kaufen und sich erhängen. Stattdessen ersteht er in einem kleinen Laden fünf Kohlestifte. Mit denen zeichnet er sich seine Wut auf all die Mitmenschen vom Leib, die zu seinem Ruin beigetragen haben. Das hätte er nicht tun sollen …

Die übrigen 25 Geschichten sind so unterschiedlich wie ihre Verfasser. Da gibt’s Mystery- und Fantasy-Szenarien mit rächenden Amazonen, Hexen und Hexenmeistern, Alchimisten und Dämonen, Zauberinnen die überhaupt keine sind und Elfen, die eine Frau ihres Volkes verteidigen, obwohl die das gar nicht will.

In den SF-Geschichten kommen wildgewordene Prozessoren vor, ein Klon mit eigener Agenda, Aliens, die als Kuscheltiere unterschätzt werden – und Dalia, die Tochter eines Minenbesitzers, die den Freitod ihres Vaters rächen will. Die, die ihn ruiniert haben, mögen sie für eine dumme Blondine halten, aber Dalia hat viel von ihrem Vater gelernt … Diese Geschichte – GOLDLÖCKCHENS RACHE von Arndt Wassmann – gehört zu meinen Favoriten. Da hat’s die Rächerin so richtig krachen lassen!

Manchmal bricht das phantastische Element gänzlich unerwartet in den gewöhnlichen Alltag ein. Bei der Fahrt in der U-Bahn, zum Beispiel, wo Benjamin eine ehemalige Schulkameradin trifft. Was eigentlich gar nicht sein kann, weil die junge Frau schon seit drei Jahren tot ist … (Sabine Lohrke: U-BAHN). Tom aus Heike Pauckners Story DIE TASCHENUHR will eigentlich nur ein Geschenk für seinen Vater kaufen. Auf das, was nun über ihn hereinbricht, ist er in keinster Weise vorbereitet. In Günter Wirtz’ Geschichte ALP liegt das Phantastische allein an der überraschenden und originellen Erzählperspektive. Sehr amüsant! Ein oder zwei Texte, die die Wettbewerbsvorgaben etwas weiter auslegen, kann so eine Geschichtensammlung vertragen.

Ich kann hier nur beispielhaft einige Beiträge vorstellen, auch wenn es über jeden einzelnen etwas zu sagen gäbe. Wer Spaß am Genre der Phantastischen Literatur hat, ab- und hintergründige Geschichten mag und sich gerne von unterschiedlichen Autoren mit Variationen zu einem Thema unterhalten lässt, dem dürfte die Kurzgeschichtensammlung RACHE! gefallen.

Wer nicht nur die verschiedenen Spielarten der Rache genießen möchte, die in diesem Band so unterhaltsam geschildert werden, sondern mit dem Gedanken spielt, selbst mal einen phantastischen Beitrag zur Storyolympiade einzureichen, sollte auf die entsprechende Ausschreibung der GESCHICHTENWEBER achten. Die „Storyolympiade 2011/2012“ ist bereits in Planung und Vorbereitung. Man muss auch nirgendwo Mitglied sein, um an dem Wettbewerb teilzunehmen zu können.

*****

Falls sich jemand fragt, wie eigentlich meine Finger in dieses Projekt kommen: Ich bin zwar kein Mitglied der GESCHICHTENWEBER, kenne und verfolge die Arbeit der Gruppe aber seit Jahren. Irgendwann hat man mich gefragt, ob ich bei der diesjährigen Hauptjury mitmachen wolle, und ich habe zugesagt – nicht so genau wissend, worauf ich mich dabei einlasse. Normalerweise entscheide ich bei Texten ja nur nach dem „Hit-oder-Shit“-Verfahren: Ein Beitrag kommt entweder für ein Projekt in Frage oder nicht. Hier dagegen muss man jede Geschichte nach verschiedenen Kriterien beurteilen, darf jede Punktzahlenkombination nur zweimal vergeben und trägt alle Werte in eine Tabelle ein, aus der schließlich die Gesamtwertung berechnet wird. (An dieser Tabelle wäre meine Jurorentätigkeit um ein Haar gescheitert, weil das Programm auf meinem Rechner nicht richtig lief.)

Da die Vorjury exzellente Arbeit geleistet hatte, lagen uns Hauptjuroren fast nur publikationsfähige Beiträge vor. Für mich waren viele Geschichten einfach auf hohem Niveau gut bis sehr gut. Und es war nicht immer einfach, die feinen Abstufungen zu machen, die das ausgeklügelte Bewertungssytem verlangte. Was soll man tun, wenn man drei Geschichten für sprachlich oder inhaltlich gleich stark hält, aber keine drei gleichen Punktzahlen vergeben darf? Man muss hier was abziehen, schlägt zum Ausgleich in einer anderen Rubrik wieder etwas drauf und hofft, dass man im großen und ganzen doch zu jedem Autor gerecht war.

Auch wenn ich manchmal gejammert und geflucht habe über diese penible Tabellenwirtschaft: Die Organisatoren der „Storyolympiade“ haben seit 10 Jahren Routine in dem Job und wissen ganz genau, wie man es machen muss. So hat sich denn auch eine „Top 10“ herauskristallisiert, über die sich die meisten Juroren wohl einig waren. Einstimmig wird man sich nie auf eine Rangfolge verständigen können. Denn Tabelle hin oder her: Das Bewerten literarischer Erzeugnisse ist und bleibt eine subjektiv gefärbte Angelegenheit.

Wer die Autoren der einzelnen Geschichten sind, erfuhr ich übrigens auch erstmals aus dem gedruckten Band. Die Jurymitglieder bekommen von den Organisatoren nämlich nur anonymisierte Manuskripte zugeschickt. Schummeln kann man hier nicht.

Ob ich auch beim nächsten Band wieder eine Juroren-Funktion haben werde, kann ich noch nicht sagen. Aber wer immer in der Jury sitzen wird, wird sich alle Mühe geben, aus der Gesamtheit der Einsendungen nur die allerbesten für die Leserinnen und Leser auszuwählen

Rezensent: Edith Nebel
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Linda Castillo: Die Zahlen der Toten – Thriller

Linda Castillo: Die Zahlen der Toten – Thriller, OT: Sworn to Silence, aus dem Amerikanischen von Helga Augustin, Frankfurt am Main 2010, Fischer Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-596-18440-8, 430 Seiten, Format: 12,5 x 19 x 3 cm, EUR 8,95 (D), EUR 9,20 (A).

„Er stößt einen Pfiff aus. ‚Eine waffentragende, fluchende, ehemals amische Polizeichefin. Ich fass es nicht.’“ (Seite 229) Die Rede ist von Chief of Police Kate Burkholder, 30. Nach einem traumatischen Erlebnis im Teenageralter ist es für sie mit der Illusion von der Gewaltlosigkeit und Friedfertigkeit der „Amish People“ ein für allemal vorbei.

Mit 18 verlässt sie ihre Familie und die amische Gemeinde in Painters Mill, Ohio, tritt ahnungslos und mittellos in die Welt der „Engländer“ ein und wird schließlich Polizistin in Columbus, Ohio: sechs Jahre Streife, zwei Jahre als Detective bei der Mordkommission.

Bei ihrer Familie und der Amisch-Gemeinde steht sie seit dieser Entscheidung unter Bann. Das heißt, die Leute reden zwar mit ihr, aber von weiteren sozialen Kontakten ist sie ausgeschlossen. In Columbus war ihr das weitgehend egal, aber vor zwei Jahren ist sie wieder in ihre Heimatstadt Painters Mill zurückgekehrt und hat die Nachfolge des altershalber ausgeschiedenen Chief of Police McCoy angetreten. „Ich war die perfekte Kandidatin: Ich hatte acht Jahre Diensterfahrung, einen Abschluss in Strafrecht und war in der Stadt aufgewachsen. Ich sprach fließend Pennsylvaniadeutsch, kannte die amische Kultur und stand ihrer Lebensweise verständnisvoll gegenüber.“ (Seite 70)

Kate hat ihre Rückkehr nicht bereut – bis jetzt. Denn nun holt sie die Vergangenheit mit voller Wucht wieder ein. Der „Schlächter“ ist zurück, ein Frauenmörder, der vor 16 Jahren schon einmal in der Gegend Angst und Schrecken verbreitet hat. Er entführt junge Frauen, hält sie tagelang gefangen, foltert sie auf unvorstellbar grausame und perverse Art und schneidet ihnen schließlich die Kehle durch. Wie zum Hohn nummeriert er seine Opfer, indem er ihnen jeweils eine römische Ziffer in den Bauch schneidet. Ein Detail, das niemals an die Öffentlichkeit drang.

Kate Burkholder ist sicher, dass das nicht derselbe Mann sein kann wie damals und dass sie einen Nachahmungstäter suchen. Eine Begründung dafür kann sie nicht liefern, weil sie sonst erklären müsste, was aus dem Serienmörder von damals geworden ist – und wer dafür verantwortlich zeichnet. Und das hätte fürchterliche Konsequenzen für sie und ihre Familie. Nun kann sie nur hoffen, dass die Ereignisse von vor 16 Jahren nicht ans Licht kommen und dass der Nachahmungstäter rasch gefasst wird.

Das letzte, was sie deshalb derzeit gebrauchen kann, ist Unterstützung von außen. Die Hilfe des FBI, die Bürgermeister und Stadtrat eilends herbeigerufen haben, wimmelt sie noch elegant ab. John Tomasetti vom BCI, dem Ohio Bureau of Criminal Identification and Investigation, den man ihr danach aufs Auge drückt, lässt sich aber nicht so einfach abschütteln. Für ihn, ein tablettensüchtiges Wrack, ist dieser Einsatz die letzte Chance. Wenn er den vergeigt, ist er weg vom Fenster. Dann feuern sie ihn.

Es ist ohnehin ein Wunder, dass sie Tomasetti so lange bei den Gesetzeshütern behalten haben. Der Kerl hat nämlich so viel Dreck am Stecken, dass es locker für „lebenslänglich“ reichen würde … wenn man ihm denn etwas nachweisen könnte. Aber er ist mit allen Wassern gewaschen. Und so dauert es auch nicht lange, bis er hinter Kate Burkholders Familiengeheimnis kommt.

Inzwischen gibt es ein zweites Opfer, und Kate ist selbst nicht mehr sicher, dass der Schlächter tot ist. Zu exakt gleichen die Taten von heute denen von damals. Das lässt zwei mögliche Schlüsse zu: Der Täter hat die Ereignisse vor 16 Jahren entgegen aller Wahrscheinlichkeit überlebt. Oder aber er war der falsche und der wahre Schlächter lief all die Jahre frei herum. Vielleicht mordete er sogar in anderen Bundesstaaten fleißig weiter, ohne dass man je in Painters Mill davon erfahren hat? Die fortlaufende Nummerierung der Toten spräche für diese Theorie.

Jetzt hilft nur noch gute, altmodische Polizeiarbeit. Kate zapft ihre persönlichen Kontakte an, durchforstet Datenbanken, Zeitungsarchive, Umzugsdaten und Listen leerstehender Gebäude, in denen der Schlächter ungestört foltern und morden könnte.

Als es ein drittes Opfer gibt, wird Kate wegen Unfähigkeit gefeuert. Sheriff Detrick übernimmt den Fall und präsentiert in der Tat kurz darauf einen Tatverdächtigen, der Kates Meinung nach in keinster Weise ins Täterprofil passt. Da wollte wohl jemand einen schnellen Erfolg vorweisen.

Kate ermittelt trotz ihrer Entlassung privat weiter. Tatsächlich stößt sie in ihren Listen und Berichten auf einen möglichen Zusammenhang. Der Schlächter ahnt nicht, dass Kate ihm auf der Spur ist, bis sich ein etwas übereifriger Informant verplappert. Jetzt ist der Serienmörder gewarnt – und Kate Burkholder auf einmal verschwunden.

Das Finale ist blutig und brutal und mörderisch spannend.

Man sieht schon: Ein beschaulicher „Häkelkrimi“ ist das hier nicht. Hier geht es höchst explizit zur Sache, grausam, detailliert beschrieben, blutig, eklig … Und sehr amerikanisch ist die Geschichte auch noch: das behördliche Zuständigkeitsgezicke zwischen der lokalen Polizei, dem FBI und dem BCI … der Cop, der sich mit dem organisierten Verbrechen eingelassen hat und der selben Methoden bedient wie die, die er verfolgt … der Polizist, der seine Familie durch ein Attentat verloren hat und seither ein psychisches Wrack ist … das sind Versatzstücke, die man aus Filmen und Fernsehserien kennt.

Dass man den Thriller trotzdem nicht als „platte Krawumm-Action für Hirnis“ ablegen muss, liegt an Chief of Police Kate Burkholder, die zwischen der modernen Welt der „Engländer“ und der fremden Welt der Amisch hin- und herwandert und uns Einblicke in das Denken und Leben einer Gemeinschaft bietet, mit der wir hier in Europa sonst gar nicht in Kontakt kommen. Wir kennen hier die Amisch mehr oder weniger aus den Medien oder vielleicht noch aus Erzählungen US-amerikanischer Verwandter oder Bekannter. Dieser permanente Kulturclash macht den Thriller außergewöhnlich und interessant. Und es würde mich wundern, wenn nicht schon die ersten Interessenten auf der Matte stünden, die aus DIE ZAHLEN DER TOTEN einen Film machen wollen.

Macht mal! Aber bitte nicht gar zu widerlich und detailliert …!

Erwähnt werden sollte noch, dass ein Großteil des Romans aus Sicht Kate Burkholders geschildert wird. Sie spricht als Ich-Erzählerin und im Präsens. Was Tomasetti, die Kollegen und die Leute im Ort erleben, das wird in dritter Person und im Präteritum erzählt. Da erweitert zwar den Blickwinkel des Lesers, ist aber bisweilen verwirrend. Man muss sich alle paar Seiten umorientieren, wobei der ständige Zeitenwechsel etwas irritierend sein kann. Wer solche Mätzchen gar nicht mag, der sei hiermit gewarnt.

Die Autorin:
Linda Castillo hat für Ihre Veröffentlichungen verschiedene Preise gewonnen, einschließlich des Daphne du Maurier Award of Excellence, die Holt-Medaille and und eine Nominierung für die Rita. Sie lebt mit ihrem Mann in Texas.

Rezensent: Edith Nebel
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November-Impressionen
November 2, 2010, 12:51 pm
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Nein, noch keine November-Depressionen. Die können noch kommen, sobald das Wetter beschissener wird und man wieder im Finstern zur Firma schleicht und um Finstern wieder heim. Jetzt schaut alles noch so schön sonnig und golden aus. Jedenfalls am Wochenende war das so.

Blätter in Gold …

… im Garten

… auf dem Schulhof in Heumaden

… an der Friedhofskapelle

Ein Kürbis im Garten. Den hat, passend zum herbstlichen Thema, unser Nachbar Herr Sommer geschnitzt und dort platziert.

Friedhofs-Ansichten

Kater-Ansichten. Cooniebert findet den Herbst, zumindest ansatzweise, zum Gähnen.