Wahnsinn im Alltag


Robert Herbig, Ulrike Renk: Schreibsucht – Lesen kann süchtig machen
April 5, 2007, 4:26 pm
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Schreibsucht. 29 Kurzgeschichten aus der „Autorenecke“

Robert Herbig, Ulrike Renk: Schreibsucht – Lesen kann süchtig machen, Ebersdorf 2005, Web-Site-Verlag, ISBN: 3-935982, Hardcover, 176 Seiten, Format 14 x 20 x 1,7 cm, EUR 12,–

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Sie sind süchtig, die Schriftsteller der Gruppe „Autorenecke“. Schreibsüchtig. Und das ist gut so, denn diese Tatsache beschert uns die vorliegende Anthologie, herausgegeben von Robert Herbig und Ulrike Renk. 20 Autorinnen und Autoren bieten ihrem Publikum eine 176 Seiten starke, höchst abwechslungsreiche Mischung aus 29 Kurzgeschichten.

Inhaltlich sind die Beiträge nicht verbunden, den Leser erwartet ein bunter Mix an Themen und Genres. Geschichten, die uns fröhlich kichern lassen, wechseln sich ab mit solchen, die uns tief berühren, zum Erschauern oder ins Grübeln bringen. Manche der Stories hallen noch lange im Gedächtnis nach.

Greifen wir mal willkürlich hinein in die Fülle der Beiträge: Der wortgewaltige Heinz Müller entwirft in seinen Geschichten DER DODEKAEDER und DER ILLUSTRIERTE SAMURAI phantastisch-mysteriöse Szenarien, die man am liebsten sofort verfilmt sehen möchte. Genau wie Heidi Sturm-Noréns gruselig-unheimliche Geschichte IM NEBEL.

„Du, Papa, wo kommen eigentlich die Haare her?“, fragt der kleine Harald in Andreas Sticklies’ hinreißend komischer Story HAARAUSFALL. Er fragt nicht ohne Grund … ROCK’N’ROLL tanzt die vierzehnjährige Heldin in Lieselore Warmelings Beitrag, wo sie doch brav in ihrem Bett liegen sollte … Und der Protagonist in Robert Herbigs Story FAHR UND SPAR will eigentlich nur mit der Bahn nach Berlin, doch ein ebenso skurriler wie lebensnaher Dialog am Fahrkartenschalter hat gänzlich unerwartete Konsequenzen … FRÜHJAHRSPUTZ macht Sascha Mrowkas Protagonistin Efi – und offensichtlich war das bitter nötig.

Was sagt ein Gentleman, wenn EINE ALTE FREUNDIN ihn um Hilfe bittet? Hannes in Jochen Brockmanns Geschichte sagt „ja“. Und was können viele Männer nicht? Genau: zuhören. Die Folgen sind für Hannes strapaziös – und für den Leser amüsant. – Der zweite Beitrag von Jochen Brockmann, ERWACHEN, geht in eine ganz andere Richtung: Es ist eine stimmungsvolle, erotisch-romantische Liebeserklärung an eine langjährige Lebensgefährtin.

PHILIPP ist der kleine Sohn, um den sich die Mutter in Ulrike Renks Geschichte große Sorgen macht, nachdem sie schon ein Kind verloren hat. Ist sie wirklich nur überbesorgt? DEUTSCHLAND, DEUTSCHLAND ÜBER ALLE von Ralf Seybold hat einen realen Hintergrund: Alles ist vorbereitet, damit der jüdische Kaufmann Hans legal aus Deutschland ausreisen kann. In einer halben Stunde geht sein Zug, da gerät er in eine Razzia der Gestapo. – „Wer die Katze aus dem Haus trägt, trägt das Glück aus dem Haus.“ Hätte Matthias aus Gerti Platzers Story KATZENKIND diese Redensart nur gekannt! – „FASS MICH NICHT AN!“ Der Ehemann in Maike Schneiders Geschichte versteht nicht, warum seine Frau so reagiert. Bis sie sich aufrafft, ihm die Wahrheit zu sagen.

Alle Geschichten hier vorzustellen, würde den Rahmen einer Rezension sprengen, obwohl jeder einzelne Beitrag eine Würdigung verdient hätte. Mein Rat daher: Kontaktieren Sie den Buch-„Dealer“ Ihres Vertrauens und beschaffen Sie sich diesen ausgezeichneten Lesestoff. Aber sagen Sie nicht, man hätte Sie nicht gewarnt: Auf dem Cover steht groß und deutlich „Lesen kann süchtig machen“. Sollten Sie Nachschub benötigen: Aus dem „Labor“ der Herausgeber Herbig und Renk kommt immer erstklassige Ware …



Robert Herbig, Ulrike Renk (Hrsg.): MÖRDERISCH – Anthologie der Autoren 4
April 5, 2007, 4:25 pm
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MÖRDERISCH – 30 Kurzkrimis von 30 Autoren
Robert Herbig, Ulrike Renk (Hrsg.): MÖRDERISCH – Anthologie der Autoren 4, Ebersdorf 2005, Web-Site-Verlag, 3-935982-38-0, Taschenbuch, 220 Seiten. Format 13 x 19x 1,5 cm, EUR 7,99

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Braucht man immer einen Roman oder einen kompletten Fernsehabend um gepflegte Krimi-Unterhaltung zu genießen? Nicht unbedingt! Auch eine gelungene Kurzgeschichtensammlung wie MÖRDERISCH garantiert ein spannendes Lesevergnügen und intensives Rätselraten.

Aus rund 300 Kurzkrimis deutschsprachiger Autorinnen und Autoren haben die Herausgeber die 30 besten ausgewählt und zu dieser abwechslungsreichen Anthologie zusammengestellt. Skurrile und kritische, humorvolle und ernste, phantastische und makabere.

Eine Reminiszenz an die klassische „Schwarze Serie“ ist MARLOWES VERMÄCHTNIS von von Jochen Brockmann, Privatdetektiv Kowalski soll seine Klientin erstochen haben. Doch Hauptkommissarin Lieselotte Wagner kennt „Kalle“ Kowalski schon zu lange, um das glauben zu können.

Franziska Kellys Heldin Carola muss feststellen, dass ihr Mann sie betrügt. Nach einem anregenden Telefonat mit ihrer Freundin serviert sie ihm VANILLEKIPFERLN MIT AROMA. – „Ach, mein Kind, fast jeder von uns hat EINE LEICHE IM KELLER“, sagt der Pfarrer in Heidi Sturm-Noréns Geschichte zu einem Hilfe suchenden Gemeindemitglied. Und genau das ist das Problem. – Dümmer als die Polizei erlaubt stellt sich das DOPPELPACK in Ute Walenskis Krimi an.

Schon zu Lebzeiten ist Hildegard immer zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht. Eine Unart, die sie auch nach ihrem Dahinscheiden nicht ablegt – was ihren Freundinnen in Ulrike Renks Story DAS HUHN IST TOT ziemliche Ungelegenheiten bereitet.

Dass DIE SUPERMUTTER im Bekanntenkreis und die GEIGENJULE im Haus Mordgelüste wecken können, wird manch ein Leser aus eigenem Erleben nachvollziehen können. Darüber hinaus gibt es höchst außergewöhnliche Tatmotive (GOLDIE von Gisela L. Bock, FUNERAL MASTER von Manfred C. Schmidt, AM ABGRUND von Rudi Jagusch), nicht alltägliche Schauplätze (HERR S. UND DIE TUNFISCHSITZUNG von Dirk Christofczik spielt größtenteils auf dem Klo!) und Erzählungen aus ungewöhnlicher Perspektive (MAX UND DER SILBERHAMMER von Heinz Müller).

Eine Autorenlegende stellt die Verfasser in Wort und Bild vor. So unterschiedlich wie deren Werdegänge sind auch ihre Kurzgeschichten. Hier wird jeder Leser seine Lieblings-Mordgeschichte(n) finden.

Ina Coelen wünscht den Leserinnen und Lesern im Vorwort „mörderisch gute Unterhaltung“. Ich bin sicher, die werden sie haben.



Maren Frank: Das Pferd aus dem Moor
April 5, 2007, 4:23 pm
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Ferienabenteuer mit einem geheimnisvollen Rappen
Maren Frank: Das Pferd aus dem Moor, Viersen 2005, Rotblatt-Verlag, ISBN: 3-937221-69-7, 104 Seiten, zahlreiche schwarz-weiß-Zeichnungen, Softcover, Format 14,5 x 21 x 0,6 cm, EUR 9,95

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Die 13-jährige Evelina verbringt die Sommerferien ohne ihre Eltern bei ihren Verwandten auf dem Bauernhof. Onkel und Tante leben von der Landwirtschaft und sind von früh bis spät in Stall und Feld beschäftigt. Bis auf zwei jugendliche Ferienarbeiter gibt es so recht keine Gesellschaft für Evelina. Zeichnen und lesen kann man auch nicht immer, und so langweilt sich die junge Urlauberin recht schnell.

Als bereits die Frage im Raum steht, ob Evelina nicht vorzeitig wieder nach Hause zurückkehren soll, begegnet ihr bei einem Spaziergang im Moor ein geheimnisvoller Rappe. Er lässt sich zunächst weder einfangen noch reiten und scheint Evelina etwas mitteilen zu wollen. So plötzlich, wie er aufgetaucht ist, ist er auch wieder verschwunden, und die verträumte Evelina fragt sich schon, ob sie sich diese Begegnung vielleicht nur eingebildet hat.

Bei ihrem nächsten Ausflug sieht sie das Pferd wieder. „Onyx“ nennt sie den prachtvollen Rappen, weil sie das Gefühl hat, dass dieser Name perfekt zu ihm passt. Auf einmal ist keine Rede mehr von einer schnellen Rückkehr in die Stadt. Evelina will wissen, was es mit diesem sonderbaren Tier auf sich hat. Woher kommt es? Niemand in der Gegend hält angeblich ein solches Pferd. Wie kann es aus dem Nichts auftauchen und urplötzlich wieder verschwinden? Wie gelingt es ihm, mit Evelina zu kommunizieren? Und wieso weiß es Dinge, die ein gewöhnliches Pferd gar nicht wissen kann?

Für die pragmatische Tante Ingrid ist der Fall klar: Ihre Nichte Evelina ist ein bisschen versponnen und hat sich den Rappen nur ausgedacht. Er ist ihr Traumpferd. Ein „imaginärer Freund“, weiter nichts. Aber kann das wirklich die Erklärung sein?

Zweimal führt das rassige schwarze Pferd unsere Heldin zu Kindern in Not. Beiden Kindern kann Evelina auf ganz unterschiedliche Art und Weise helfen. Aber wenn Onyx nichts weiter ist als ein Produkt ihrer Phantasie – wie ist es dann möglich, dass der kleine Jannik ihn ebenfalls sieht?

Bis Evelina dem Geheimnis auf die Spur kommt, geschieht noch allerhand …

Junge Pferdefreundinnen, die sich mit der künstlerisch begabten und phantasievoll-verträumten Heldin identifizieren können und Geschichten mit einem Hauch von Fantasy mögen, werden sich hier ganz ausgezeichnet unterhalten. Auch so mancher Erwachsene wird Freude an der zauberhaften Geschichte haben – besonders wenn er sich daran erinnert, in diesem Alter auch ein wenig wie Evelina gewesen zu sein.

Wie es sich für ein Buch über ein talentiertes Mädchen gehört, das ständig mit Begeisterung Pferde zeichnet, ist dieser Band mit rund einem Dutzend hervorragender schwarz-weiß-Illustrationen ausgestattet. Die Illustrationen stammen von der Autorin selbst, die auch den Buchtitel gestaltet hat. Das professionelle Niveau der Zeichnungen kommt nicht von ungefähr: Hauptberuflich entwirft Maren Frank Stempelmotive für eine Stempelfirma. Und so kommt der Leser hier in den Genuss eines gelungenen Gesamtkunstwerks bestehend aus Text und Bild.



Eva-Maria Schumacher: Das Katzen-Tagebuch
April 5, 2007, 4:22 pm
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Ein Kater und seine Familien

Eva-Maria Schumacher: Das Katzen-Tagebuch, Leipzig 2005, Engelsdorfer Verlag, ISBN: 3-938873-63-9, Softcover, 64 Seiten, 10 Farbfotos, Format 12 x 19 x 0,5 cm, EUR 9,80

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So eine Katze hat’s gut – sie sucht sich einfach die Familie aus, bei der sie gerne wohnen möchte und zieht dort ein. So macht es auch der getigerte Kater Oskar, und in seinem Katzen-Tagebuch erzählt er uns davon.

Eigentlich gefällt es Oskar bei seiner Erstfamilie ganz gut, trotz Haushund. Aber als sein bisheriger „Dosenöffner“ in Rente geht und eine Weltreise antritt, soll Oskar in Obhut der Kinder zurückbleiben. Die haben leider nicht sehr viel Zeit für ihn. Da sieht ein Häuschen mit Terrasse und einem netten Ehepaar in der näheren Umgebung schon viel anheimelnder aus. Zumal die Hausherrin immer mal wieder köstliche Leckereien für ihn auf der Terrasse deponiert.

Vom schüchternen „Futtergast“ und Angstbeißer arbeitet sich Oskar langsam hoch bis zum viel geliebten Mitbewohner, der alsbald bei Herrchen und Frauchen im Bett schlafen darf. Sie rufen ihn „Kater“ und nennen ihn auch schon mal zärtlich „Kronprinz“.

Ärgerlich ist nur, dass Oskar nie alleine im Haus bleiben darf. Wenn Herrchen und Frauchen nicht daheim sind, muss er sich draußen die Zeit vertreiben und in seinem Häuschen auf der Terrasse nächtigen. In der Urlaubszeit versorgt ihn Nachbarin Monika.

Ansonsten hat Freund Oskar ganz normale Sorgen – wie andere Leute auch. Den hartnäckigen Winterspeck, zum Beispiel. Und natürlich die Liebe. Die rot gestreifte Kätzin Lilly hat es ihm angetan. Zu seiner großen Freude erwidert sie seine Zuneigung – und schon bald wird Oskar stolzer Papa von vier niedlichen Katzenkindern.

Und wie das so ist mit den lieben Kleinen: Kaum will Oskar mit seiner Lilly, den Kindern und deren Menschenfamilie mal für eine Woche verreisen, wird der Nachwuchs krank. Ein andermal läuft Söhnchen Klein-Oskar in einem unbeobachteten Moment auf die Straße. Aber auch Katzenkinder haben Schutzengel.

Als wäre der Elternstress noch nicht genug, müssen Lillys Menschen aus beruflichen Gründen für ein Jahr ins entfernte München ziehen. Und Oskar muss sich entscheiden: Bleibt er bei Herrchen und Frauchen – oder zieht er mit Lilly und Familie in die bayerische Landeshauptstadt um?

Dieses kurzweilige Tagebuch beantwortet auf unterhaltsame Weise die Frage, die sich viele Katzenhalter stellen: ‚Was geht wohl in den Köpfen unserer schnurrenden Hausgenossen vor?’ Zehn ausgewählte Farbfotos illustrieren den Band. Und man sieht: Unser tierischer Held ist einfach zum Knuddeln. Auf manchen Aufnahmen sieht er aus wie die Katze aus der Whiskas-Werbung. Kein Wunder, dass Essen ihm so wichtig ist!

Ob Kater Oskar uns eines Tages erzählt, was er im darauf folgenden Jahr erlebt hat? Und ob Söhnchen Klein-Oskar auch so ein Racker und Herzensbrecher wurde wie sein Papa?
Bei dem niedlichen Vater sind sicher alle seine Katzenkinder schnurrende Wonneproppen geworden. Vielleicht präsentiert uns Oskar seinen Nachwuchs ja im nächsten Band …?



Ute Maria Seemann: Mit einem Lächeln im Herzen
April 5, 2007, 4:21 pm
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Gedichte voller Humor und Selbstironie

Ute Maria Seemann: Mit einem Lächeln im Herzen. Düsseldorf 1994, Zwiebelzwerg-Verlag, ISBN: 3-295323-98-8, 66 Seiten, Softcover, 14,3 x 20,5 x 0,5 cm, EUR 6,-

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Unglücklich verliebt? Am Beziehungsalltag gescheitert? Genervt vom täglichen Einerlei? Müde von der Verfolgung unerreichbarer Schönheitsideale?

Wenn unsereinem das passiert, verzweifeln wir entweder still vor uns hin oder beißen vor Wut in den Teppich. Die Autorin Ute Maria Seemann – Künstlerin, Ehefrau und berufstätige Mutter – hat ein weitaus unterhaltsameres Ventil für ihren Frust gefunden: Zeitlose Gedichte voller Humor und Selbstironie – und fernab von elitärem Lyrik-Geschwurbel.

Einer meiner Favoriten ist das Gedicht FÜNFZEHN – über den Liebeskummer eines jungen Mädchens. Ein Auszug daraus:

(…)
Meine Mutter sieht
mich lächelnd an,
streicht mir über die Haare
und bemerkt kopfschüttelnd:
„Kind, Kind …
Wenn du dich anlehnen willst,
halt dich nicht an einem Mann fest.
Such dir ein Geländer.“

Ob es um die großen, wichtigen Themen des Lebens geht wie Erwachsenwerden, Freundschaft, Liebe und Tod oder um Alltagsbetrachtungen über Kunst, Bausünden, Dialekte, Schönheit und unehrliche Komplimente – Ute Maria Seemanss treffenden Ansichten und Einsichten werden selbst Lyrikmuffel etwas abgewinnen können.

Man kann gar nicht anders – man erkennt sich und seine Mitmenschen in diesen Gedichten wieder. Man nickt, schmunzelt, lacht und denkt: „Das merke ich mir!“ Wie zum Beispiel den schönen Satz „Der ureigene Weg kommt erst beim Gehen“ (aus dem Gedicht MEINEN WEG).

Am liebsten würde ich noch ein paar meiner Lieblingsgedichte hier online stellen. Aber ich kann mich einfach nicht entscheiden. Wenn Sie also wissen wollen, warum das Chamäleon eine Identitätskrise hat … warum man im Alltag nie einen der umwerfend schönen Menschen aus den Medien trifft … was Männer mit Jugendstil-Tellern verbindet und was der Liebste wirklich denkt, wenn er so versonnen in die Ferne schaut – dann lesen Sie am besten dieses Buch.

Vielleicht sollte ich Sie warnen: Manche der Gedichte bleiben einem nachhaltig im Gedächtnis. Nie wieder werden Sie nach dieser Lektüre ohne Grinsen den Satz hören können: „Dieser Mann ist Wachs in meinen Händen.“

Autor: Ute-Maria Seemann
ute@ute-maria-seemann.de
http://www.ute-maria-seemann.de



Karin Sehlhoff: Mimi, der Paderborner Weihnachtskater. 24 Adventsgeschichten, erzählt von einer Samtpfote
April 5, 2007, 4:20 pm
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Ein hinreißendes Katzenbuch – und ein immerwährender „Adventskalender“

Karin Sehlhoff: : Mimi, der Paderborner Weihnachtskater. 24 Adventsgeschichten, erzählt von einer Samtpfote, mit zahlreichen schwarz-weiß-Illustrationen, Norderstedt, 2006, Books on Demand GmbH, ISBN 10: 3-8334-6385-6, ISBN 13: 978-3-8334-6385-3, flexibler Einband, 164 Seiten, Format: 17,2 x 22,4 x 1,5 cm, EUR 11,90.

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Für einen kleinen Kater ist das ganze Leben neu und spannend. Jeden Tag entdeckt er etwas Aufregendes. Vor allem, wenn er, wie Kater Mimi, von einem Bauernhof kommt und auf Umwegen als Hauskatze im gemütlichen Häuschen eines Ehepaares landet.

Frauchen und Herrchen sorgen gut für den kleinen Mimi. Er wird geliebt, gefüttert und gestreichelt, geimpft und entfloht. Auch wenn er an diese Maßnahme nicht die allerbesten Erinnerungen hat: zu viel Shampoo und viel zu viel Wasser …

So lieb Mimi seine Menschen auch hat, so wenig versteht er manchmal, was sie tun. Was sind das nur für sonderbare Aktivitäten, die sie in der kalten Jahreszeit auf einmal entfalten? “Advent” sei, erklären sie ihm. Und dass sie auf Weihnachten warten. Darunter kann Mimi sich nicht viel vorstellen, verfolgt aber dennoch interessiert die Vorbereitungen.

Wenn Weihnachten so sehnsüchtig erwartet wird, wird das doch sicher auch mit gutem Essen verbunden sein, vermutet er. Voller Neugier springt er in den Karton mit der Weihnachtsdekoration – und landet unverhofft auf etwas stacheligem Grünen – einer künstlichen Tannengirlande. Seine Begeisterung für den Advent hält sich fürs Erste in Grenzen.

Der duftende Adventskranz aus echtem Tannenreisig, die Kerzen, Geschenkbänder und vor allem die Walnüsse, die man so schön durch die Wohnung kicken kann, finden schon eher seinen Beifall. Genau wie Besucher, die die Taschen voller Geschenke haben. Wenn auch nicht alles darin von Haus aus für Mimi gedacht war …

Mimi ist eben ein Stubentiger, wie wir ihn kennen und lieben – und wie alle Vertreter seiner Gattung davon überzeugt, der Mittelpunkt des Universums zu sein. Dass etwas nicht zu seiner Unterhaltung geschieht, das kann er sich gar nicht vorstellen.

Beim Basteln will er ebenso dabei sein wie beim Plätzchenbacken. So genau verfolgt er das Geschehen in der Küche, dass er vor lauter Eifer vom Kratzbaum purzelt. Und von den leckeren Plätzchen kosten will er natürlich auch. Dabei muss er feststellen: Zimtsternenkrümel sind köstlich – „Zitrobart“ (Zitronat) dagegen schmeckt ausgesprochen widerlich. Da sind ihm seine Katzendrops doch lieber.

Mimi macht Bekanntschaft mit dem Nikolaus, dem ersten Schnee, mit Besuchern, die keine Katzen vertragen und mit Weihnachtspost und Weihnachtsgeschenken.

Besonders aufregend gestaltet sich der Hausputz und die große Wäsche, was offenbar alles zu den Vorbereitungen auf den ersehnten Festtag gehört. Mimi hat eine unheimliche Begegnung mit Putzeimer und Wischmopp – und verleiht dem Spruch „dumm aus der Wäsche gucken“ eine ganz neue Bedeutung.

Zu wahren Begeisterungsstürmen reißt ihn der Weihnachtsbaum hin: Ein wunderbar duftender Pieks-Kletterbaum ganz für ihn allein – und mitten im Wohnzimmer! Doch er muss lernen, dass der Weihnachtsbaum ebenso wenig nur für ihn gedacht ist wie die Krippe. Seine Klettertouren im Baum sind kaum zu verheimlichen, weil die Glöckchen daran immer so verräterisch klingeln.

Und dann ist es endlich so weit: Heiligabend ist da und Mimi erlebt tatsächlich sein allererstes Weihnachtsfest …

MIMI, DER PADERBORNER WEIHNACHTSKATER ist nicht nur eine mit liebevollem Augenzwinkern erzählte Katzengeschichte – es ist ein Adventskalender in Katzenbuchform. Die 24 Adventsgeschichten sind wie geschaffen dafür, jeden Tag im Dezember eine davon zu lesen – oder vorzulesen – und mit dem kleinen Kater die Vorfreude auf das Weihnachtsfest zu erleben. Gerade weil für den Kleinen alles so neu ist, lebt hier der Zauber wieder auf, den Weihnachten hatte, als wir noch Kinder waren. Vielleicht wird die tägliche Lesung aus dem Mimi-Adventskalender ja sogar zu einer Familientradition. Und alle warten schon gespannt auf ihre Lieblingsstellen.

Was nicht heißen soll, dass man die Geschichten nur zur Weihnachtszeit genießen kann. Unterhaltsame Katzengeschichten, aus dem wahren Leben gegriffen, sind stets ein zeitloses Vergnügen.

KARIN SEHLHOFF, Jahrgang 1969, ist von Beruf Erzieherin und war viele Jahre in leitender Stellung tätig, bevor sie sich mit einer telefonischen Beratungspraxis selbständig machte: Als ausgebildete psychologische Beraterin begleitet sie Menschen durch schwierige Phasen ihres Lebens. Die Autorin lebt mit Mann und Kind – und Kater Mimi natürlich – in Hövelhof.



Marec Béla Steffens: Die Briefmarke von Dublin und der Grabstein von Prag. Das vierte Buch vom Kater, der Märchen erzählt
April 5, 2007, 4:19 pm
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Phantasievolle Märchen mit außergewöhnlichen Helden

Marec Béla Steffens: Die Briefmarke von Dublin und der Grabstein von Prag. Das vierte Buch vom Kater, der Märchen erzählt. Mit Illustrationen von Krystyna Steffens. Vechta-Langförden 2006, Geest-Verlag, ISBN 13: 978-3-86685-020-0, Flexibler Einband, 184 Seiten, Format: 13,5 x 20,5 x 1,2 cm, EUR 11,–

Der Märchenkater ist wieder da und erzählt seiner Frau, der lieben Katze, seine phantasievoll-skurrilen Märchen. Damit hat er angefangen, als seine Frau einmal nicht einschlafen konnte. Und seitdem ist es ein lieb gewordenes Ritual: Die Katze gibt den ersten Satz vor und der Kater fabuliert munter drauflos.

Erfreulicherweise ist er irgendwann einmal auf die Idee gekommen, die Märchen aufzuschreiben, damit nicht nur seine Frau etwas von den zauberhaften Geschichten hat, sondern auch wir Leser.

Und da auch die liebe Katze eine phantasiebegabte Person ist, gibt sie ihrem Kater keine typischen Märchensätze über Prinzen und Königstöchter vor. Ihre Heldinnen und Helden sind ganz anderer Natur: ein knallroter Regenschirm, ein halbes Eselchen, ein leicht seniler Zauberer, ein Kleiderbügel, der sich vor Gespenstern fürchtet, ein Wildsee, der Klaviermusik liebt … Aus dieser Vorgabe muss der Märchenkater ganz spontan eine Geschichte entwickeln. Eine Herausforderung, die er, wie wir es von ihm gewohnt sind, mit Bravour meistert. Und mit Esprit und Humor.

Luise Henriette von Oranien ist die Titelheldin des ersten Märchens, die Briefmarke von Dublin. Das heißt, eigentlich stammt sie ja aus der Mark Brandenburg, doch als die Mark abgeschafft wird, wird sie auf einmal ungültig und sie beschließt auszuwandern. Es verschlägt sie nach Irland, wo sie einen Fluss namens Anna kennen lernt und eine beispiellose Karriere macht.

In der zweiten Titelgeschichte – dem letzten Märchen im dem Buch – geht es um einen Grabstein vom jüdischen Friedhof in Prag. Er findet keine Ruhe an dem für ihn bestimmten Platz, weil das Grab dort leer ist. Der Golem sollte dort begraben sein, doch dessen Überreste befinden sich, laut Überlieferung, auf dem durch Bannflüche gut geschützten Dachboden der Altneusynagoge. Da ist freilich guter Rat teuer. Doch der Märchenkater wäre nicht der Märchenkater, wenn er den ruhelosen Grabstein einfach im Regen stehen ließe. Mit welchem Geistesblitz er ihm zu Hilfe kommt, das sei hier nicht verraten …

Zwischen der ersten und der letzten Geschichte in dem Buch tummelt sich eine bunte Schar höchst ungewöhnlicher Märchenhelden: Das Basilikum, das seine Verwandten sucht. Mit den garstigen Basilisken will es nichts zu tun haben. Die ehrwürdige Basilika ist schon eher nach seinem Geschmack. – Die Erbsen, die nur dann schlafen können, wen ein Stapel Matratzen auf ihnen liegt – und oben drauf eine Prinzessin. Gerade letztere sind derzeit aber furchtbar rar, so dass die Erbsen an permanenter Schlaflosigkeit leiden. Kein Mittel scheint dagegen zu helfen. Der Versuch, Prinzessinnen im Versandhandel zu ordern, hat sogar ein gerichtliches Nachspiel, das gleichzeitig ein wunderbares Beispiel ist für die herrlich verschrobenen Wortspiele, die der Autor so kunstvoll betreibt:

Die wütenden Erbsen kullerten sofort zu einem Rechtsanwalt. Erregt diskutierten sie mit ihm: „Ich erbe, du erbst …“ Man glaubt nicht, was für komplizierte Rechtsfragen das Erbsrecht aufwirft. Bei einem Risotto, zum Beispiel, welches Reiskorn ist da erbsberechtigt? Wegen solcher Fragen war es in Spanien und anderswo zu regelrechten Erbsfolgekriegen gekommen.“ (Seite 26/27)

Wird ein Schlaftherapeut den Erbsen helfen können? Oder liegt die Lösung für dieses Problem ganz wo anders?

Was macht eigentlich eine Scheibe Brot, wenn sie sich langweilt? Genau: Sie geht in den brotanischen Garten und vergnügt sich dort beim Brotfahren. Und was passiert, wenn eine Nase nicht nur läuft, sondern ihrem Besitzer sogar davonläuft? Welche Abenteuer erlebt eine alte Schreibmaschine, die ganz alleine die Gegend abklappert, während ihr Besitzer zur Kur ist? Und was treibt eigentlich der Weihnachtsschmuck, wenn er für den größten Teil des Jahres unbeachtet in Kartons ruht? Ruht er wirklich? – Der Märchenkater weiß es und erzählt es Ihnen gern.

Köstlich: „Die Fliegen wollen etwas wissen“! „ Es waren einmal ganz viele Fliegen. Ihre Vorfahren hatten sich noch auf Bauernhöfen herumgetrieben. Aber die Fliegen jetzt sahen für ihr Leben gern fern. Besonders liebten sie Seifenopern und Talkshows. Das fanden die Fliegen ungeheuer interessant, da konnte der größte Misthaufen nicht mithalten.“ (Seite 66.) Jetzt haben sich die Fliegen in den Kopf gesetzt, bei einer Quizsendung mitzumachen …

Ein Rausch verliebt sich in eine Eisenbahnschwelle. Wie wird wohl deren gemeinsame Zukunft aussehen? Ein Hörnchen fühlt sich schon im Regal der Bäckerei zu Höherem berufen. Wird es mit der Universitätslaufbahn klappen? Von einer ganz anderen Karriere träumt der Lastkran: Er will unbedingt eine Schiffssirene werden. Kann der Märchenkater ihm dabei behilflich sein?

Um einem heiseren Pferdchen zu helfen, die ihm angezauberten grünen Flecken wieder loszuwerden, begibt sich der Kater zum Kastellan von Schloss Kamitz – und sieht sich plötzlich der Herausforderung gegenüber, drei schwere Aufgaben lösen zu müssen. Welche Rolle dabei wohl ein Blatt Papier spielt, das unter gar keinen Umständen bedruckt oder beschrieben werden will? Und welches Schicksal diesem Blatt beschieden ist? Die originelle Antwort darauf findet sich auf Seite 131.

Der Märchenkater hat die Rezensentin vorab darauf aufmerksam gemacht, dass ihr Name in dem Buch erwähnt wird. Dass auch der Name ihres Mannes darin vorkommt, und zwar in der Geschichte vom ruhelosen Grabstein, das hat der Märchenkater selbst nicht gewusst. So ist das eben bei seinen Märchen: Dort geschehen fortwährend die sonderbarsten Dinge.

Wenn wir jeder Nacht, in der die liebe Katze nicht einschlafen kann, so ein phantasievolles Märchen verdanken, müssten wir ihr eigentlich noch viele schlaflose Nächte wünschen. Angesichts der wunderbaren Geschichten, die ihr Kater erzählen kann, wird sie uns diesen egoistischen Wunsch hoffentlich verzeihen.



Ina Coelen, Ulrike Renk: Killer, Küche, Knast. Tatort Niederrhein. Der Krimi mit den todsicheren Rezepten
April 5, 2007, 4:18 pm
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Kleinstadt-Idylle und Großstadt-Intrigen
Ina Coelen, Ulrike Renk: Killer, Küche, Knast. Tatort Niederrhein. Der Krimi mit den todsicheren Rezepten, Krefeld, 2006, LEPORELLO-Verlag, ISBN: 3-936783-18-7, Taschenbuch, 229 Seiten, Format: 19 x 11,5 x 2 cm, EUR 9,–

Der Krefelder Immobilienmakler Jörg Lintfort wird vermisst. Nicht unbedingt von seiner Frau Katta, denn der Treueste war er nicht. Er lebte auch schon länger von Frau und Tochter getrennt.

Was wirklich schlimm ist: Mit dem untreuen Gatten ist auch alles Geld der Familie Lintfort verschwunden. Ein böses Erwachen für Katta, die sich nie um Finanzielles und Organisatorisches gekümmert hat. Geld war für sie kein Thema, es war immer genug davon da. Katta stammt aus einer wohlhabenden Famile. Die Immoblienfirma, die ihr Mann leitet, hatte ihr Vater gegründet.

Jetzt ist Katta pleite, und irgendetwas muss passieren. Zum Glück hat sie Freunde, die sich nicht nur zum Feiern und Bekochtwerden in ihrer gemütlichen Wohnküche einfinden, sondern sich auch als Helfer in der Not erweisen.

Zugegeben: Es macht bei der Polizei keinen allzu guten Eindruck, dass Kattas Kumpel Jan jetzt bei ihr einzieht, weil er zu Hause Beziehungsprobleme hat. Auch Kattas mangelnde Besorgnis um ihren Mann erweckt Skepsis. Und wenn Hauptkommissar Jürgen Fischer und seine Kollegen erst wüssten, dass Kattas Freundin Claudia nicht nur eine brave Buchhalterin ist, sondern nebenbei als Detektivin arbeitet und auf eigene Faust Nachforschungen über Jörg Lintforts Verbleib anstellt, würden sie sicher andere Saiten aufziehen. Doch davon ahnen sie nichts.

Claudia bringt unbemerkt Jörgs Papiere an sich und entdeckt darin sogleich mit Kennerblick ein paar dubiose Geschäftsvorfälle. Diese Erkenntnis wirft neue Fragen auf: Was weiß Jörgs Mitarbeiterin Edda Müller, die schon für Kattas Vater gearbeitet hat? Ist sie in die Machenschaften involviert? Wer bitte ist der Herr, der sich am Telefon des Immobilienbüros als Jörg Lintfort ausgibt? Und vor allem: Wo ist Jörg?

Claudia wird das Gefühl nicht los, dass Kattas Tante Margarete Licht ins Dunkel bringen könnte … wenn sie nur wollte.

Während Claudia ihrer Detektivarbeit nachgeht und sich dabei nicht immer ganz legaler Mittel bedient, besinnt sich Katta auf ihr Talent als Köchin und macht sich mit einem Partyservice selbständig. Der Schornstein muss schließlich rauchen und das Leben weitergehen.

Da wird eine Leiche gefunden. Jetzt geht es nicht mehr nur um zweifelhafte Geschäfte. Jetzt geht es um Mord!

***

Bei ihren Nachforschungen nutzen Claudia und Katta die Vorzüge des weit verzweigten kleinstädtischen Kontakt-Netzwerks. Jeder kennt jeden, jeder weiß ein bisschen etwas. Man muss die Mosaiksteinchen nur fleißig zusammentragen, damit sich daraus ein Bild ergibt.

Das Bild, das hier entsteht, ist nicht nur schwarz-weiß – hier die Bösen, da die Guten. So einfach ist die Welt nicht. Nicht einmal ein einer Kleinstadt. Jeder, der in diesen vielschichtigen Fall verstrickt ist, hatte einmal gute Gründe für sein Tun. Oder für sein Schweigen. Doch manchmal genügt eine Kleinigkeit, und die Ereignisse laufen komplett aus dem Ruder …

Kapitelweise wechseln sich hier die Autorinnen ab: Ina Coelen schildert die Ereignisse aus Sicht der begnadeten Köchin Katta, Ulrike Renk sieht das ganze aus dem Blickwinkel der Detektivin Claudia. Dieser Kunstgriff gibt den beiden sympathischen Romanheldinnen nicht nur eine eigene Perspektive, sondern eine eigene Sprache und Persönlichkeit. Das ist einer der Vorzüge eines Autorenteams. Ein „Persönlichkeitssplit“ in dieser Konsequenz wäre für einen einzelnen Autor kaum zu schaffen.

Offensichtlich sind Ina Coelen und Ulrike Renk ein gutes Team. Genau wie ihre Heldinnen Katta und Claudia. Werden wir die beiden Damen samt ihrer liebenswert-chaotischen Freundesclique in einem Folgeband wieder sehen? Ich wäre gern dabei, wenn Claudia wieder ermittelt und Katta den Kochlöffel schwingt.

Wer es Katta gleichtun will: Im Anhang des Buchs gibt es eine Reihe professioneller Küchen-Tipps sowie „todsichere“ Rezepte, unter anderem von Horst Lichter und prominenten Köchen vom Niederrhein.

Spannende Unterhaltung – und guten Appetit!



Paul Maar: Herr Bello und das blaue Wunder
April 5, 2007, 4:17 pm
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Vom Erfinder des „Sams“: Herr Bello und das blaue Wunder
Paul Maar: Herr Bello und das blaue Wunder , Mit Illustrationen von Ute Krause, Hamburg 2005, Oetinger-Verlag ISBN 3-7891-4251-4 Hardcover, 224 Seiten, EUR 10,90

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Pippin Sternheim, der leicht chaotisch veranlagte allein erziehende Vater von Max (12) ist Apotheker in der Löwengasse. Eines Tages kommt er in Besitz eines geheimnisvollen blauen Elixirs, das sein genialer Großvater einst zusammengemischt hat. Nur durch Zufall kommen Vater und Sohn dahinter, wozu die blaue Flüssigkeit dient: Sie ist ein Wunderdünger, der über Nacht kürbisgroße Radieschen wachsen lässt und mickrige Zitronenbäumchen in riesige Orangenbäume verwandelt.

Was das Elixir darüber hinaus noch vermag, wird offenbar, als Max Sternheims Hund Bello versehentlich davon trinkt: Er verwandelt sich in einen Menschen!

Der neue Hundemensch, der sich selbst „Herr Bello“ nennt, bringt das Leben der Sternheims gehörig durcheinander. Denn Herr Bello sieht zwar aus wie ein Mensch und spricht „mönschlich“, aber er benimmt sich weiterhin wie ein Hund. Er leckt alle Menschen zur Begrüßung ab, schläft auf seiner alten Hundedecke, mampft Hundefutter, geht nur mit einem Apothekerkittel bekleidet auf die Straße und buddelt Löcher im Sandkasten.

Die Sternheims kommen ganz schön in Erklärungsnot. Denn nicht nur die Polizei interessiert sich für den mysteriösen Herrn Bello, auch das Jugendamt geht den außergewöhnlichen Lebensumständen im Sternheimschen Apothekerhaushalt auf den Grund. Und als sich Herr Bello und Papa Sternheim noch in dieselbe Frau verlieben, ist das Chaos perfekt.

Und als man denkt, die Geschichte kann gar nicht mehr verrückter werden, verfüttert Landwirt Edgar Schregglich verschiedene Super-Elixir-gedopte Pflanzen an die Tiere auf seinem Bauernhof. Und dann geht’s erst richtig rund!

Eine köstliche Verwandlungs- und Verwechslungsgeschichte für Hunde- und Wunderfreunde ab acht Jahren. Die urkomischen Illustrationen von Ute Krause passen dazu wie die Butter zum Brot. Sie bringen jede Szene exakt auf den Punkt.

Der Autor: Paul Maar, geboren 1937 in Schweinfurt, wurde als Erfinder des „SAMS“ bekannt und ebenfalls als erfolgreicher Autor und Illustrator von Kinder- und Jugendbüchern. Er erhielt u.a. den Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises für sein Gesamtwerk.

Und auch für dieses Buch gilt: Möglichst nicht in der Öffentlichkeit lesen – wegen der Lautloslachgefahr! Was sollen sonst die Leute denken?



Bernd Brunner: Eine kurze Geschichte der Bären
April 5, 2007, 4:16 pm
Filed under: Bücher

Ein Bärenbuch – anders als alle anderen!
Bernd Brunner: Eine kurze Geschichte der Bären, Berlin 2005, Claassen Verlag, ISBN-13: 978-3-564-00395-7, ISBN-10: 3-564-00395-0, 223 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, Format 12,5 x 21 x 2 cm, über 100 teils farbige historische Abbildungen, EUR 16,–

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Bärenbücher gibt es viele: Sachbücher, Abenteuerromane, Expeditionsberichte … aber hat sich je ein Autor mit der außergewöhnlichen Beziehung beschäftigt, die zwischen Mensch und Bär besteht? Bernd Brunner hat es getan und präsentiert uns in seinem liebevoll ausgestatteten Buch ein faszinierendes Sammelsurium von erstaunlichen Fakten, Geschichten und Illustrationen.

Was Sie schon immer über Bären wissen wollten

Wussten Sie zum Beispiel, dass sich der Begriff „Berserker“ vom Wort „Bär“ ableitet? Was haben die 12 Helden aus der germanischen Sage mit den Bären zu tun? — Welche Rolle spielt der Bär in den Märchen, Sagen und Mythen der Völker? — Was hat es mit den Bärenmenschen auf sich, von denen immer wieder berichtet wird? Wurden sie wirklich als Kleinkinder von Bärinnen gesäugt und aufgezogen?

Bären paaren sich zwischen April und August. Die Bärenjungen kommen im folgenden Frühjahr zur Welt. Warum finden sich im Bauch von winterschlafenden Bärinnen keine Embryonen? — Hat der nepalesische Biologe Makesh K. Gurung Recht mit seiner Theorie, bei dem legendären Yeti handle es sich in Wahrheit um einen Himalaya-Braunbär? — Und warum haben die Höhlenbären in weiten Teilen Europas die letzte Eiszeit nicht überlebt?

All diese Fragen und viele andere mehr beantwortet Ihnen das Buch auf ebenso fundierte wie unterhaltsame Weise.
Wussten Sie, dass in Europa und Asien Bären als Haustiere gehalten wurden? Vom 17. Jahrhundert an gibt es immer wieder Berichte darüber. Bei den japanischen Ainu war es sogar üblich, dass Frauen die kleinen Bären säugten und mit ihren Kindern gemeinsam aufzogen. Ein gefährlicher Familienanschluss …

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Der Herr des Waldes

In fast allen Regionen, in denen es Bären gibt, gibt es auch die uralte Tradition der Bärenfeste. Sie variieren zwar von Sibirien bis zu den nordamerikanischen Indianern, aber sie haben durchaus gemeinsame Inhalte: Überall wurde der Bär als Herr des Waldes verehrt. Und meist war es tabu, den Namen des Bären auszusprechen. Von Lappland bis Nordamerika benutzte man Umschreibungen wie „Cousin“ bis „Alter Mann“. Die familiären Bezeichnungen sind dabei kein Zufall. In all diesen Kulturen wurde eine Verwandtschaft zwischen Bär und Mensch vermutet. Schließlich ist der Bär in diesen Regionen das Tier, das dem Menschen am ähnlichsten ist. Er kann auf zwei Beinen gehen, greift mit seinen Vordertatzen nach Früchten und verzehrt als Allesfresser viele Dinge, die auch der Mensch selber isst. Spätestens nachdem ein Mensch einen Bären getötet und gehäutet hatte, musste ihm die Ähnlichkeit des hellen, schlanken Bärenkadavers mit einem Menschen aufgefallen sein.

In vielen mitteleuropäischen Frühlingsfesten spielt der Bär eine tragende Rolle: Vom „Fastnachtsbär“ bis zum „Maibär“ gibt es eine Vielzahl hochinteressanter Traditionen. Nur, wer kennt heute noch deren Ursprung? Ungleich gruseliger und blutiger als unsere Frühlingsfeste ist das archaische ostsibirische Bärenfest, von dem ein russisch-deutscher Zoologe, Geograph und Ethnologe im Jahr 1856 berichtete. Sein Kollege, der Zeichner Carl M. Tebach, hielt die Vorgänge in detaillierten Bildern für die Nachwelt fest.

Historische Irrtümer, Mythen und Gerüchte

Viele irrige Vorstellungen rankten sich im Lauf der Jahrhunderte um den Winterschlaf der Bären. Dabei ist das, was man heute über das Phänomen der Winterruhe weiß, wesentlich spannender und interessanter als sämtlichen Mutmaßungen und Gerüchte.

Skurril muten manche frühen Zeichnungen von Bären an. Denn vielfach mussten sich die Zeichner auf Beschreibungen verlassen und hatten die Tiere, die sie zu Papier brachten, niemals selbst gesehen. Ähnlich absonderlich sind aus heutiger Sicht die ersten Versuche der Naturforscher, die Bären zu klassifizieren. Nach den seltsamsten Kriterien hat man sie sortiert: nach Größe, Farbe, Verbreitung oder der Beschaffenheit ihrer Sohlen. Und auch der Versuch, sich dem Seelenleben des Bären zu nähern, wirkt aus dem Blickwinkel des 21. Jahrhunderts nicht besonders wissenschaftlich.

Skurril, verblüffend, erstaunlich

Was findet man nicht alles in diesem Buch! Es ist unmöglich, hier die komplette Bandbreite abzudecken. Da gibt es Bambusbären und Höhlenbären, Bären als Jäger und Gejagte, Bären in der Kampfarena, in Zirkus, Zoo und Jahrmarkt. Sie begegnen dem verschrobenen nordamerikanischen Bärenjäger und Bärenhalter John „Grizzly“ Addams, der im 19 Jahrhundert als Schausteller mit seinen Tieren durch die USA zog. Sie werden Zeuge der Geburt des Stoffbären und erleben, wie er als niedlicher „Teddybär“ unsere Kinderzimmer erobert. Und das ist noch lange nicht alles …

Wer etwas übrig hat für verblüffende, skurrile Fakten und Geschichten – wer zum Beispiel an keinem intelligent gemachten Wissensmagazin und kaum einer Fernsehdokumentation vorbeikommt – wird sich bei diesem Streifzug durch die Geschichte der Bären bestens unterhalten.

Wundern Sie sich nicht, wenn Sie nach Lektüre dieses Buchs dank selektiver Wahrnehmung auf einmal überall Bären sehen und Ihre Freunde, Familie und Kollegen plötzlich in Gespräche über diese Tiere verwickeln. Bernd Brunners Buch macht es deutlich: Ob Bärlauch, Bernhard, Berserker, Teddybär oder Berlin – Bären haben unsere Kultur so stark durchdrungen, dass sie fast in jedem Lebensbereich präsent sind. Sie werden staunen!